Friday, 29th March 2024
29 März 2024

Darf man nach Afghanistan abschieben?

Ist das Bürgerkriegsland Afghanistan sicher genug, um Menschen dorthin abzuschieben? Darüber hat der Landtag in seiner letzten Sitzung der Wahlperiode gestritten.

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WIESBADEN – Der hessische Landtag hat sich in seiner letzten Sitzung der zu Ende gehenden Wahlperiode in kontroverser Debatte mit Abschiebungen nach Afghanistan befasst. Innenminister Peter Beuth (CDU) und Vertreter der Regierungskoalition verteidigten die Praxis, wonach aus Hessen vorrangig Straftäter und Gefährder in das Land abgeschoben werden.

14 Ausreisepflichtige nach Kabul geflogen

Am Dienstagabend waren vom Frankfurter Flughafen aus 14 Afghanen, überwiegend Straftäter, aus dem gesamten Bundesgebiet nach Kabul abgeschoben worden, nach Angaben des Innenministeriums zwei davon aus Hessen. Etwa 100 Mitglieder unterschiedlicher Organisationen protestierten im Terminal 1 gegen die Aktion. Die gecharterte Maschine landete am Mittwochmorgen um sieben Uhr in der afghanischen Hauptstadt.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl nannte die Abschiebungen nach Afghanistan unverantwortlich. Angesichts weiterer Anschläge in den vergangenen Wochen in der Hauptstadt Kabul oder mehrerer Entführungen auf Überlandstraßen würden die Risiken für Abgeschobene immer größer.

Die Linken-Fraktion übte in der Debatte heftige Kritik an der Abschiebepraxis des Landes. Wer nach Afghanistan abschiebe, nehme den Tod der Betroffenen billigend in Kauf, sagte der Abgeordnete Ulrich Wilken. Die Humanität einer Gesellschaft zeige sich daran, wie sie mit Menschen in Not umgehe. Es sei „ungeheuerlich“, dass Hessen Menschen in den Bürgerkrieg abschiebe anstatt ihnen Hilfe anzubieten. Afghanistan sei eines der unsichersten Länder der Erde, erklärte Wilken.

Die CDU-Abgeordnete Astrid Wallmann wies die Vorwürfe entschieden zurück. Kein Land habe gegenüber Flüchtlingen so viel Humanität gezeigt wie Deutschland. Die Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan beruhe auf dem jüngsten Asyllagebericht der Bundesregierung vom Mai. Auf dieser Grundlage seien Abschiebungen nach Afghanistan grundsätzlich möglich. „Vorrangig“ würden islamistische Gefährder, Straftäter und Identitätsverweigerer zurückgeführt.

„Herausragende humanitäre Leistung Hessens“

Ähnlich argumentierte Marcus Bocklet für die Grünen. Die hessische Flüchtlingspolitik der vergangenen fünf Jahre sei alles andere als inhuman gewesen. Auch nach der UN-Flüchtlingskonvention hätten Gefährder und Straftäter kein Bleiberecht. In diesem und im vergangenen Jahr seien aus Hessen ausnahmslos Straffällige abgeschoben worden.

Beuth unterstrich, dass Hessen seit dem Jahr 2015 eine Million Flüchtlinge aufgenommen habe. Dies sei eine „herausragende humanitäre Leistung“. Nach den Berichten der Bundesregierung habe sich die Lage in Afghanistan seit 2016 verbessert. Hessen zeige sein humanitäres Gesicht, gleichzeitig müssten aber gegenüber Ausreisepflichtigen Recht und Gesetz durchgesetzt werden, meinte Beuth.

In seiner letzten Rede im Parlament sagte der Wiesbadener SPD-Abgeordnete Ernst-Ewald Roth, ihm reiche die Regelung, dass „vorrangig“ Straftäter abgeschoben würden, nicht aus. Das bedeute, dass auch andere Menschen nach Afghanistan zurückgeschickt werden könnten. Es würde der Klarheit dienen, wenn „nur“ Straftäter abgeschoben würden. Roth hatte nicht mehr für den Landtag kandidiert.

FDP-Fraktionschef René Rock sagte, angesichts von 19 Rückführungsflügen in den vergangenen Jahren könne von massiven Abschiebungen nach Afghanistan keine Rede sein. In Deutschland hielten sich 16 000 ausreisepflichtige Personen aus diesem Staat auf, 13 000 davon hätten einen Duldungsstatus. Wer sich nicht an die Regeln in Deutschland halte, müsse freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden, erklärte Rock.

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