Wednesday, 24th April 2024
24 April 2024

Mit der Friedhofs-App zum Grab

Witterungsfester QR-Code auf der Stele und die virtuelle Kerze im Netz –Abschiednehmen, Trauern und Erinnern ist längst auch digital möglich

Über den QR-Code auf dem Grabstein wird eine Trauerseite erreicht.

Eine virtuelle Kerze wird für einen gestorbenen Freund angezündet, Fotos werden zur Erinnerung an die Großmutter auf einer Trauerseite im Internet eingestellt oder im Online-Kondolenzbuch ein Eintrag eingefügt. Die Digitalisierung hat viele Bereiche des Lebens erreicht. Abschiednehmen, Trauern und Erinnern haben sich gewandelt. Auf manchen Grabsteinen finden sich digitale QR- Codes. Mit der Handykamera gescannt und entschlüsselt, verweisen sie auf eine Internetseite mit Bildern, Videos und der Lebensgeschichte des Gestorbenen.

„Mit solchen QR-Codes können Inhalte und Informationen über den Verstorbenen hinterlegt werden, die auf dem Grabstein keinen Platz finden“, erläutert Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur. Die Pixel-Quadrate seien eine zunehmend gefragte Ergänzung. „Ich sehe das sehr positiv, es ist eine neue Möglichkeit“. Zu den Vorteilen gehört aus Wirthmanns Sicht: „Wohnt jemand weit entfernt oder im Ausland, konnte nicht an der Trauerfeier teilnehmen oder nicht zum Grab kommen, dann teilt er die Trauer im virtuellen Raum“. Dazu reicht es, wenn ihm jemand ein Foto mit dem QR-Code schickt.

Andreas Rosenkranz fertigt seit einigen Jahren Grabmale mit QR-Codes an – und ist damit auf diesem Feld einer der ersten Steinmetze in Deutschland. „Zunächst dachte ich, wie skurril. Ist es aber gar nicht.“. Die Idee komme aus Japan. „Aber auch bei uns werden die Gräber ja immer kleiner, die Urnenbestattungen nehmen zu“. Der Code als Transmitter bahne den Weg zur Internetseite für den Gestorbenen. In seiner Kölner Werkstatt bringt er die grafischen Codes direkt per Sandstrahltechnik auf die Grabsteine auf. „Das ist absolut witterungsfest“.

Aber auch kleine Sockelsteine, Pflastersteine oder Plaketten mit den kleinen Pixel-Zeichen sind Varianten. „Wir liefern den Stein mit dem generierten Code“, erläutert Rosenkranz.


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Weil es anfangs Skepsis und Unklarheiten gab, hat der Städtetag eine „Handlungsempfehlung zum Umgang mit dem QR-Code“ verfasst. Der QR-Code ist demnach als Grabmal-Inschrift zu bewerten. Wird eine solche „gestalterische Einbindung“ gewünscht, kann die Friedhofsverwaltung sie in der Regel nicht verbieten. Für die Genehmigung eines Grabmals sind QR-Code und Inhalt der hinterlegten Internetseite mitanzugeben – für den Inhalt verantwortlich sind die Hinterbliebenen.

Die Nachfrage nach den QR-Codes steigt, wie Bildhauer Rosenkranz schildert. „Solche digitalen Grabzeichen sind im Mainstream angekommen. Es geht nicht nur um Informationen zum Verstorbenen für die anderen, es hilft auch den Hinterbliebenen, die eigene Trauer zu teilen und zu verarbeiten“. Und: „Diese Art des Gedenkens ist dynamisch. Es kann sich entwickeln“. Bei der Grabstein-Aufstellung sei manchmal nur ein Bibelzitat hinterlegt, dann würden immer mehr Texte, Erinnerungen oder Bilder ergänzt.

Die jüngere Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen sei, werde auch bei Bestattung und Abschiednehmen verstärkt aufs Internet und soziale Netzwerke setzen, glaubt der Duisburger Bestatter Stefan Menge. Warum? Die Eltern eines jung Verstorbenen würden zum Beispiel Namen und Adressen aller Freunde, Kollegen oder Vereinsmitglieder niemals ausfindig machen. Über ein Web-Trauerportal erfahren sie nach und nach mehr und können sich aktiv einbringen. Dieser Trend mache auch die Bestatterbranche immer digitaler, meint Menge.

Friedhofs-Apps, die den Besucher zum Grab navigieren, sind ebenfalls auf dem Markt. „Es gibt eine ganze Reihe von Anbietern, aber durchgesetzt hat sich das noch nicht“, sagt Wirthmann. Denn für die Friedhofsverwalter entstehen Kosten. Im Internet kann man Grabsteine außerdem selbst daheim am PC gestalten. Aber: Die meisten bräuchten einen Stein zum Anfassen und gingen lieber zum Steinmetz statt an den Computer.

Skeptisch ist Bestatter Wirthmann mit Blick auf erste soziale Netzwerke, die virtuelle Unsterblichkeit versprechen. Aus Daten, die zu Lebzeiten eingegeben werden, soll mittels künstlicher Intelligenz ein Ebenbild kreiert werden, das auch nach dem Tod agiert. Dazu meint Wirthmann: „Das steht noch ganz am Anfang, in experimenteller Form. Aber so etwas wäre trauerpsychologisch sicherlich für die Hinterbliebenen ein Problem. Und zur Würde des Menschen gehört, dass er auch sterben darf“. dpa

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