Friday, 29th March 2024
29 März 2024

Umbau des Einheitensystems: Das Ur-Kilogramm hat ausgedient

Eine exakt ein Kilogramm schwere Kugel aus Silizium in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.


Bei einem Kilogramm Äpfeln, die man auf dem Markt kauft, kommt es auf eine leichte Abweichung nicht an. Für Forscher allerdings ist es nicht haltbar, wenn das Ur-Kilogramm an Masse verliert. Ein neues System der Einheiten soll auf Naturkonstanten zurückgehen.

Revolution in Versailles: Zumindest in der Metrologie, der Wissenschaft vom präzisen Messen wird am heutigen Freitag nahezu alles auf den Kopf gestellt. Auf der Generalkonferenz für Maß und Gewicht sollen Vertreter von 60 Staaten über ein neues Einheitensystem abstimmen. Das Kilogramm, Ampere (Stromstärke), Mol (chemische Stoffmenge) und Kelvin (Temperatur) werden dabei neu definiert. Experten rechnen mit einer großen Zustimmung für diese Neuordnung in der Welt des Messens.

Eine Mehrheit für das Internationale Einheitensystem (SI, französisch: Système international d'unités) bedeutet aber nicht, dass Verbraucher sich neue Waagen kaufen müssen. Die Änderungen seien im täglichen Leben nicht bemerkbar, sagt Jens Simon, Sprecher der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Ihm zufolge werden Mängel des bisherigen Systems beseitigt und eine universelle Sprache für eine hochtechnische Welt geschaffen.

Allein bei der PTB waren nach Angaben des Sprechers weit über 50 Forscher in den vergangenen Jahren an der Entwicklung beteiligt. Insgesamt würden rund um den Erdball sicher einige Hundert Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker von den großen nationalen Metrologieinstituten wie etwa dem National Institute of Standards and Technology (NIST) in den USA zusammenkommen.

Ur-Kilo verliert minimal an Masse

Mit Mängeln im alten System ist unter anderem gemeint, dass das Ur-Kilogramm und seine Kopien sich zum Teil in ihrer Masse um ein halbes Mikrogramm (Millionstel Gramm) pro Jahr unterscheiden. Ein unhaltbarer Zustand für die Forscher. Bislang diente das seit Ende des 19. Jahrhunderts in einem Tresor in der Nähe von Paris verwahrte Ur-Kilo als Grundmaß aller Gewichte. Es hatte jedoch in den vergangenen Jahrzehnten an Masse verloren, ein Ersatz musste her. Auch weil viele andere Einheiten wie das Mol oder das Ampere vom Kilo abhängig waren. "Hat das Kilogramm ein Problem, haben es die anderen Einheiten automatisch auch", hieß es in einer der vielen PTB-Veröffentlichungen zum Thema.

In einer Mess-Welt, die weder beim Nanometer (Millionstel Millimeter) noch bei der Femtosekunde (Millionstel einer Milliardstel Sekunde) aufhört, sind Schwankungen verpönt. Deshalb nun also die Einigung auf das Stabilste, was die Physik bisher kennt: Naturkonstanten, wie die Lichtgeschwindigkeit, die Ladung des Elektrons oder das Plancksche Wirkungsquantum bestimmen bald alle physikalischen Einheiten. So soll beispielsweise das Kilogramm dann mit Hilfe solcher Naturkonstanten definiert werden. Auf der Körperwaage im Bad aber bleibt ein Kilogramm gleich schwer.

"Am 20. Mai 2019, dem Weltmetrologietag, soll das neue Einheitensystem in Kraft treten", sagt PTB-Sprecher Simon, der selbst nach Versailles fahren will, um bei der Entscheidung live dabei zu sein. Da nicht alle Wissenschaftler nach Frankreich reisen können, wird die Entscheidung per Livestream in einen Hörsaal in Braunschweig übertragen. PTB-Sprecher Simon ist sich sicher, dass die sonst eher nüchternen Wissenschaftler der Forschungsbehörde dann auch mit einem Glas Sekt anstoßen.

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