Sunday, 19th May 2024
19 Mai 2024

Julia Klöckner: „Wer hat denn bei der SPD das Sagen?“

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner fordert nach dem Rücktritt Angela Merkels vom Parteivorsitz Konsequenzen auch beim Koalitionspartner SPD.

MAINZ – Auch der Koalitionspartner SPD müsse nach dem Rücktritt Angela Merkels vom Parteivorsitz der CDU Konsequenzen ziehen, fordert die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner im Interview mit dieser Zeitung.

Frau Klöckner, ist das nicht ein merkwürdiges Gefühl, die Chefin zu verlieren?
Für politische Nachrufe ist es zu früh, und Angela Merkel wird als Kanzlerin immer noch meine Chefin bleiben im Bundeskabinett, in dem ich als eine ihrer Ministerinnen sitze. Angela Merkel hat als Parteivorsitzende eine souveräne Entscheidung getroffen, die sie als Kanzlerin stärker macht. Für die CDU ist das natürlich eine gravierende Zäsur.

Über Merkels Nachfolge im Parteivorsitz soll auf dem Bundesparteitag entschieden werden. Wie wäre es denn mit einem Mitgliederentscheid, einer Urwahl des oder der Parteivorsitzenden?
Das werden wir am kommenden Wochenende bei der Klausurtagung besprechen.

Ihr rheinland-pfälzischer Parteifreund Adi Weiland hat erklärt: Julia Klöckner ist eine denkbare Kandidatin.
Das ehrt einen natürlich. Ich werde zwar erneut als stellvertretende Parteivorsitzende kandidieren, aber ich habe nicht vor, mich um den Parteivorsitz zu bewerben. Wir haben ein sehr breites, qualifiziertes Angebot, da bedarf es nicht einer weiteren Bewerbung durch mich. Ich mache meine Arbeit als Bundesministerin, und ich bin es meinem Landesverband nicht zuletzt schuldig, die Kommunalwahl vorzubereiten und zu begleiten. Auch deshalb strebe ich nicht den Bundesvorsitz an.

Die Kandidatur von Friedrich Merz überrascht. Er war doch sehr lange weg aus dem operativen Geschäft.
Man muss nicht im politischen Tagesgeschäft sein, um als Kandidat eine Bereicherung darzustellen. Auch die anderen Bewerbungen sind von hoher Qualität. Ein gutes Zeichen für die CDU.

Die Industrie jubelt über Merz. Jens Spahn ist der ultrakonservative junge Wilde. Annegret Kramp-Karrenbauer vertritt den sanften Merkel-Kurs?
Das ist mir viel zu holzschnittartig. Friedrich Merz ist oft auch kritisch gegenüber der Industrie. Jens Spahn ist nicht ultrakonservativ, er lebt und denkt sehr liberal. Und Annegret Kramp-Karrenbauer ist als saarländische Ministerpräsidentin vor allem in der Flüchtlingspolitik einen sehr strengen, wie ich finde richtigen Weg gegangen.

Wird sich die CDU Rheinland-Pfalz vorab darauf verständigen, wen sie in der Merkel-Nachfolge will?
Dass die Spitze sagt, was die Basis wählen soll? So funktioniert die rheinland-pfälzische CDU nicht. Die Basis soll sich unvoreingenommen ein Bild machen.

Wen bevorzugen Sie?
Darauf erwarten Sie doch jetzt nicht wirklich eine Antwort (lacht). Was mich stört, auch bei den Medien, ist diese Gehetztheit. 24 Stunden nach der Entscheidung Angela Merkels – und schon werden komplette Analysen und Vorentscheidungen für die Zukunft abgefragt. Ich mahne zur Gelassenheit – und Zeit zum Durchdenken.

Aber drängt nicht die Zeit, hat nicht Merkel selbst die bisherige Arbeit der Groko-Regierung als „nicht akzeptabel“ bezeichnet?
Regierung ist Regierung, Partei ist Partei. Zur Regierung: Die Sacharbeit läuft permanent, an der Erfüllung des Koalitionsvertrags wird gearbeitet, ich sage ausdrücklich: einschließlich der SPD-Kollegen im Kabinett. Ich verstehe, dass die Bürger an manchen Stellen verärgert sind, etwa wegen der Diesel-Affäre oder des Streits um den Verfassungsschutz-Präsidenten Maaßen. Vieles ist nicht mehr nachvollziehbar. Wir müssen mehr über die Erfolge reden, Entscheidungen erklären.

Welchen Eindruck haben Sie vom Koalitionspartner SPD?
Das kommt darauf an, ob Sie von SPD-Kabinettsmitgliedern sprechen, die empfinde ich als professionell und kollegial, oder ob Sie von der SPD-Fraktion oder der SPD als Partei sprechen, die nicht genau wissen, ob sie koalitionstreu sein wollen sollen …

Das klingt sehr harsch.
Harsch? Es ist eine Zustandsbeschreibung. Wer hat denn bei der SPD das Sagen: Andrea Nahles, Olaf Scholz oder der linke Parteiflügel? Das muss die SPD für sich endlich klären. Gilt das, was in den Abstimmungen zwischen den Ministerien vereinbart ist, oder gibt es eine eigene Lesart der Fraktion oder eine der Partei?

Haben Sie den Eindruck, die SPD will raus aus der Groko?
Wer vor der Verantwortung flieht und vor der Zusage, die er im Koalitionsvertrag gegeben hat, abrückt, der wird keine größere Zustimmung beim Wahlbürger bekommen als er sie jetzt hat.

Andrea Nahles hat einen Zeitplan aufgestellt, bis wann welche Groko-Ziele abgearbeitet werden sollen.
Das wäre mir neu, dass die SPD-Parteichefin mir als Ministerin den Arbeitsplan macht. Es ist schön, wenn sie sich um ihre Minister kümmert, die Ergebnisse liefern müssen, so wie wir Unionsminister das auch tun. Ich verstehe, dass auf Andrea Nahles ein erheblicher Druck lastet nach der Bayern- und Hessenwahl. Und erst Recht nach Angela Merkels klarer Haltung.

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