Saturday, 18th May 2024
18 Mai 2024

Wie die CDU vor 30 Jahren ihren eigenen Ministerpräsidenten Vogel demontierte

Am 11. November vor 30 Jahren stürzte die CDU in Rheinland-Pfalz ihren Vorsitzenden, Bernhard Vogel. Dieser trat auch als Regierungschef zurück. Eine Zäsur in der Parteigeschichte.

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MAINZ – 11. November 1988, CDU-Landesparteitag in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. Der Sitzungsleiter verliest gegen 20 Uhr das Ergebnis der Kampfabstimmung, Bernhard Vogel, amtierender rheinland-pfälzischer CDU-Chef und Ministerpräsident, gegen Umweltminister Hans-Otto Wilhelm. Das Ergebnis ist purer Sprengstoff für die Partei. 258 Delegierte haben für Wilhelm gestimmt, nur 189 für Vogel. Dieser ruft noch „Gott schütze Rheinland-Pfalz“ in den Saal, dann verlässt er die Bühne – und tritt wenige Wochen später auch als Ministerpräsident zurück. Die Quittung kommt 1991: Rudolf Scharping fährt mit seiner SPD einen Sieg bei den Landtagswahlen ein. Seitdem sind die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz an der Macht. Die CDU wiederum hat Jahrzehnte gebraucht, um sich von dieser Zäsur zu erholen.

„Natürlich schmerzt die Erinnerung sehr“

Bernhard Vogel ist heute 85 Jahre alt. Angesprochen auf jenen Parteitag, der sich an diesem Sonntag zum 30. Mal jährt, sagt er: „Natürlich schmerzt die Erinnerung an den 11. November 1988 nach wie vor. Es war der Tag meiner größten Niederlage, meiner größten Enttäuschung. Auch nach 30 Jahren möchte ich sagen, die Wunden sind verheilt, aber die Narben sind geblieben.“ Vogel, der später Ministerpräsident in Thüringen wurde, kann seine Partei nur mahnen, die Lehren aus Koblenz zu ziehen. „Man sollte darauf achten, dass die Führung einer Partei in sich geschlossen ist. Man vertraut ein Land nicht jemanden an, der schon Schwierigkeiten hat, seinen eigenen Laden in Ordnung zu halten.“

Ein Satz, wie in Stein gemeißelt. Schafft es die rheinland-pfälzische CDU, einig zu bleiben, was sie unter Christian Baldauf und Julia Klöckner in den vergangenen Jahren geschafft hat? Wie werden sich die beiden positionieren, wenn im kommenden Jahr die Frage der Spitzenkandidatur für 2021 womöglich gestellt wird?

Zurück in die 1980er Jahre. Die CDU ist in Rheinland-Pfalz seit Jahrzehnten an der Macht, hat Politiker wie Peter Altmeier und Helmut Kohl hervorgebracht. Als Kohl nach Bonn geht, rückt Vogel nach. Er hat einen anderen Stil. Kohl, der Reformer, der junge Wilde, Vogel, der Bedächtige, Ausgleichende, der auf Konsolidierung setzt. 1987 kommt es zum Rückschlag. Die CDU muss bei den Landtagswahlen Verluste von 6,8 Prozentpunkten hinnehmen, verliert die absolute Mehrheit und kommt auf 45,1 Prozent. Werte, bei denen manchem Christdemokraten heute die Tränen in die Augen schießen. Historiker Michael Kißener begründet die Verluste mit der Erosion des katholischen Wählerlagers Ende der 80er Jahre. Gerade auf dem Lande fährt die CDU hohe Verluste ein. Nun muss sie zusammen mit der FDP regieren, einer FDP, die sich als moderner Motor in der Regierung präsentiert, während der CDU etwas Verstaubtes anhaftet.

Hans-Otto Wilhelm, Fraktionschef im Landtag, versucht sich gegen den eigenen Ministerpräsidenten zu profilieren, wie einst der junge Helmut Kohl gegen Peter Altmeier. Doch Wilhelm hat offenbar nicht zu Ende gedacht. Für Vogel ist klar: Ohne Parteivorsitz kann man nicht Regierungschef bleiben. Wilhelm wiederum hat sich zuvor klar für die Trennung von Parteiamt und Ministerpräsidentenamt ausgesprochen. Aus dieser Nummer kommt er nicht mehr heraus.

Nach dem Sturz Vogels kommt es zur Tandemlösung. Neuer Ministerpräsident wird der bisherige Finanzminister Carl Ludwig Wagner, sicherlich ein ehrenwerter Politiker, der aber rasch den Stempel des „Ministerpräsidenten mit Verfallsdatum“ aufgedrückt bekommt. 21. April 1991: Rudolf Scharping holt mit der SPD in Rheinland-Pfalz 44,8 Prozent. Die CDU wird in die Opposition verbannt. Das liegt nicht nur an der Selbstdemontage unter Wilhelm. Scharping hat die SPD modernisiert, die drei Bezirksverbände aufgelöst und in einen Landesverband überführt. Kluge Zeitgenossen sprechen davon, die SPD sei mit dem Land „versöhnt“. Auch fährt die SPD im Wahlkampf eine Doppelstrategie: Wechsel in Rheinland-Pfalz und Entlarvung der „Steuerlüge“ der CDU im Bund. Hintergrund sind massive Steuererhöhungen in Folge der deutschen Einheit.

„Ich hätte vielleicht etwas sensibler sein sollen“

Bernhard Vogel sagt heute, seine Befürchtungen seien sogar übertroffen worden. Ob er selbst Fehler gemacht hat? „Ich hätte vielleicht ein bisschen sensibler sein sollen“, räumt der 85-Jährige ein. Mehr auf Zeichen achten müssen. Der Satz „Gott schütze Rheinland-Pfalz“ jedenfalls sei nicht vorbereitet gewesen, aus dem Augenblick heraus gesagt. Vogel sagt, er habe sich „von morgens bis abends, bei Tag und bei Nacht“, für das Land engagiert – und gewusst, welche Herausforderungen noch anstünden. „Aus diesem fließenden Strom bin ich herausgerissen worden.“

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