Saturday, 27th April 2024
27 April 2024

„Zuglärm so laut wie ein Presslufthammer“

Der Landtag in Rheinland-Pfalz erhöht den Druck auf Berlin, Güterzüge aus dem Mittelrhein in die Pampa zu verlagern. Einem entsprechenden Antrag stimmten alle Fraktionen zu.

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MAINZ – Die Zahlen sind wie in Stein gemeißelt: In der Nacht erreicht der Zuglärm im Mittelrheintal Spitzenwerte von 70 Dezibel, am Tag von bis zu 100 Dezibel. 70 Dezibel seien so viel Krach wie ein Rasenmäher, 100 Dezibel wie ein Presslufthammer, erklärt Steven Wink, FDP-Landtagsabgeordneter.

Debatte im Landtag zur ersehnten Entlastungsstrecke für Güterverkehr am Mittelrhein: Tatsächlich hatten es CDU, SPD, Grüne und FDP geschafft, sich in den vergangenen 72 Stunden zusammenraufen. Sie verabschiedeten am Donnerstag, auch mit den Stimmen der AfD, einen Antrag, in dem der Bundesverkehrsminister aufgefordert wird, einen Neubau zur Entlastung voranzutreiben. Natürlich rechtsrheinisch. Es gab allerdings auch mal Ideen, Güterzüge links des Rheins entlang zu schicken: von Bonn durch die Eifel bis ins Saarland, dann über Kaiserslautern nach Mannheim. Darüber spricht aber niemand mehr, es geht um eine Entlastungsstrecke von Troisdorf südlich von Köln bis nach Mainz-Bischofsheim in Hessen.

Denn es pressiert: Derzeit quälen sich am Tag mehr als 400 Züge durch das enge Tal, 2030 werden es Prognosen zufolge etwa 600 sein. Das Mittelrheintal ist wichtiger Teil der Nord-Süd-Verbindung von Rotterdam bis Genua. 2016 wurde in der Schweiz der Gotthard-Basistunnel eröffnet, der das Problem für die Menschen in Hessen und Rheinland-Pfalz vergrößert hat. Durch Lärmschutz, etwa Wände, leisere Bremsen, Dämpfer an den Schienen, wurde zwar schon einiges getan. Doch wie beim Fluglärm wurden Erfolge der vergangenen Jahre durch die höhere Zahl an Bewegungen „aufgefressen“.

Zurück zum Landtag in Mainz. Obwohl sich Opposition und Koalition endlich mal aufeinander zubewegt hatten, fiel man in der Debatte dann doch übereinander her.

So drosch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf die Union im Bund ein. Hatte doch eine Äußerung aus dem Bundesverkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU) erst die ganze Aufregung um das Mittelrheintal ausgelöst. Tenor: Die neue Strecke kommt nie, weil sie nicht wirtschaftlich ist – aber man kann ja mal eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. „Dieses Schneckentempo ist beispielgebend für die Infrastrukturpolitik der Union“, schimpft Wissing. Als weiteres Beispiel nennt er das Projekt Rheinvertiefung zwischen Mainz und Sankt Goar auf durchgängig 2,10 Meter. Bis das kommt, kann es ein Jahrzehnt dauern. Die CDU kocht regelrecht, so vom Minister abgemeiert zu werden. Fraktionsvize Adolf Weiland sagt, der Minister sei „kleinkariert“. Und Alexander Licht, ebenfalls CDU, will von Wissing wissen, von welchem „Trauma“ er eigentlich befallen sei. Wissing zählt zu der Politikergeneration der FDP, die sich von der CDU und Angela Merkel regelrecht verraten fühlen.

Auch die SPD ist sauer auf die Union im Bund. „Wie weit muss man von den Menschen entfernt sein, um so etwas zu schreiben?“, kritisiert Michael Hüttner den „Mittelrheinbrief“ aus dem Hause Scheuer. Die AfD ist auch sauer, und zwar auf alle. So hätten sowohl Mainz als auch Berlin in den vergangenen Jahrzehnten nichts getan, um die Menschen am Mittelrhein zu schützen, findet Jan Bollinger. Die AfD stimmt am Ende aber für den Antrag der anderen Fraktionen – seltener Moment der Einmütigkeit im Parlament.

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